Donnerstag, 8. Januar 2009

Voll SadoMaso! Wenn Bänker nicht bis auf 3 kommen ... Oder: Mach mir den Slaughter-House-Hengst, Dr. Ackermann!

Der finanzielle Tsunami, Teil V: Die Heuschrecken hatten ihren großen Tag


Das Multi-Billionen-Dollar-Verbriefungsdebakel in den USA begann im Juni 2007 mit der Liquiditätskrise bei zwei Hedge-Fonds der New Yorker Investmentbank »Bear Stearns«, einer der größten und erfolgreichsten Investmentbanken der Welt, die angeblich von der Familie Bush in Anspruch genommen wird, um einen Teil ihres Riesenvermögens zu verwalten …


Kolossaler Kollateralschaden
Die beiden Hedge-Fonds wurden massiv in Subprime-Hypothekenwertpapiere investiert. Der Schaden schwappte schon sehr bald über den Atlantik zu einer kleinen deutschen staatlichen Bank, der IKB. Im Juli 2007 besaß die Rhineland Funding, ein 100-prozentiger Conduit der IKB, etwa 20 Milliarden Dollar an forderungsbesicherten Wertpapieren.

Mitte Juli weigerten sich die Investoren, einen Teil dieser forderungsbesicherten Wertpapiere zu verlängern. Das zwang die Europäische Zentralbank, Rekordmengen von Geld in den Markt zu pumpen, um das Banksystem liquide zu halten.

Die Rhineland Funding bat die IKB, einen Kreditrahmen festzulegen. Die IKB gab bekannt, dass sie nicht über genügend Bargeld oder liquides Vermögen verfügte, um der Bitte ihres Conduits zu entsprechen, und wurde nur durch eine Notzahlung von acht Milliarden Dollar durch die staatliche Aktionärsbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, gerettet, ironischerweise derselben Bank, die die Marshallplan-Hilfe beim Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Deutschlands Ende der 1940er-Jahre organisierte. Es wurde schon bald klar, dass ein neuer Marshallplan oder irgendein finanzielles Äquivalent dringend benötigt würde, dieses Mal für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Aber leider standen keine Spender dafür bereit.

Die Intervention der KfW stoppte die Panik nicht, sondern führte vielmehr zum Horten von Reserven und zu einem Panikverkauf von Wertpapiere, die von den internationalen Banken außerhalb der Bücher als Structured Investment Vehicles (SIVs) ausgegeben worden waren.
Forderungsbesicherte Wertpapiere waren eines der großen Produkte der Revolution der Verbriefung von Kreditforderungen, die von Greenspan und dem amerikanischen Finanzestablishment gefördert wurden. Sie waren eine Schöpfung der größeren Banken, um das Risiko aus den Bilanzen zu halten und es den Banken gleichzeitig zu ermöglichen, ansehnliche Profite aus den SIV-Gewinnen zu erwirtschaften.

Der SIV gab üblicherweise Wertpapiere heraus, die durch einen Zahlungsstrom aus den Bargeldbeständen des zugrundeliegenden Anlageportefeuilles des Conduits gedeckt wurden. Die forderungsbesicherten Wertpapiere waren eine kurzfristige Schuld, allgemein dauerte diese nicht länger als 270 Tage. Sie waren von der Registrierungspflicht entsprechend dem »US Securities Act« von 1933 befreit. Es handelte sich um nicht registrierte Wertpapiere, also ein riesiges Schlupfloch. Forderungsbesicherte Wertpapiere wurden üblicherweise aus Pools von Warenforderungen, Kreditkartenforderungen, Auto- und Werkzeugkrediten sowie Leasingverträgen und besicherten Schuldtiteln ausgestellt.

Im Falle der IKB in Deutschland sollte der Cash Flow aus ihrem Portefeuille von Subprime-Haushypotheken und hypothekenbesicherten Schuldtiteln (CDOs) kommen. Das Hauptrisiko, mit dem es die Investoren von forderungsbesicherten Wertpapieren zu tun haben, ist der Wertverfall – dass die einzelnen Kredite, die die Versicherung ausmachen, in Verzug kommen –, genau das, was sich im Sommer 2007 im gesamten amerikanischen Hypothekenmarkt abspielte.
Das Problem mit den CDOs war, dass sie, sobald sie einmal ausgegeben waren, selten gehandelt wurden. Ihr Wert wurde nicht vom Markt bestimmt, sondern basierte auf komplizierten theoretischen Modellen.

Als die CDO-Besitzer in der ganzen Welt im letzten Sommer plötzlich dringend Geld benötigten, um den Ausverkauf des Marktes zu bewältigen, stellten sie fest, dass der Marktwert ihrer CDOs weit unter dem Buchwert lag. Anstatt also Liquidität durch den Verkauf der CDOs zu schaffen, verkauften sie hochwertige liquide Blue-Chip-Aktien, staatliche Anleihen und Edelmetalle, um dringend benötigtes Bargeld zu machen und die Verluste abzudecken.

Das bedeutete einfach, dass die CDO-Krise zu einem Wertverlust sowohl der CDOs als auch der Aktien führte. Der Preisabsturz bei Wertpapieren wirkte sich auch auf die Hedge-Fonds aus. Dieser dramatische Preisverfall wurde nicht von den theoretischen Modellen vorausgesagt, die für alle quantitativen Hedge- Fonds verwendet werden, und führte zu großen Verlusten in diesem Marktsektor, angeführt von Bear Stearns’ zwei firmeninternen Hedge-Fonds. Größere Verluste durch führende Hedge-Fonds nährten weiterhin die Unsicherheit und verschlimmerten die Krise.

Das war der Beginn eines kolossalen Kollateralschadens. Die Modelle brachen alle zusammen.
Ein Mangel an Transparenz war die Grundursache der Krise, die endgültig und unvermeidbar Mitte 2007 ausbrach. Der Mangel an Transparenz war auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Marktbetreiber, statt das Risiko auf eine transparente Art und Weise zu streuen, wie es von der allgemein akzeptierten Wirtschaftstheorie vorgesehen ist, Wege beschritten, um die riskanten Anlagen zu »verbriefen«“, indem sie Anlagen mit hohem Gewinn und hohem Risiko förderten, ohne das Risiko eindeutig anzugeben. Außerdem ignorierten die Kreditbewertungsagenturen das inhärente Risiko der Produkte. Sie verwendeten dieselben fehlerhaften Risikomodelle bei der Bewertung der Wertpapiere. Die Tatsache, dass die Obligationen selten gehandelt wurden, bedeutete, dass nicht einmal der ungefähre Wert diese strukturierten Finanzprodukte bekannt war. (1)

Ignorieren der Lektionen aus der LTCM-Krise
Mit dem Zusammenbruch des Vertrauens unter den Banken zum internationalen Interbankenmarkt im August 2007 – dem Kern eines globalen Bankensystems, das auf forderungsbesicherten Wertpapieren basiert –, hatte es das Bankensystem mit einer systemischen Krise zu tun. Diese Krise drohte jetzt, sich zu einem Dominoeffekt auszuwachsen, ähnlich dem des Zusammenbruchs der Banken in Europa im Jahre 1931, als die französischen Banken aus politischen Gründen der Österreichischen Creditanstalt den Hahn abdrehten. Es war sein »Zeitalter der Turbulenz«, um den Titel seiner von einem Ghostwriter geschriebenen Autobiographie abzuwandeln. (2)

Panikartige Abhebungen bei Kundenbanken, wie sie sich während der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre ereigneten, sind das nächste wahrscheinliche Szenario. Eine derartige Panik betraf bereits die britische Northern-Rock-Hypothekenbank, die daraufhin verstaatlicht werden musste.

Dem weltweitem Finanzsystem hatte erst im September 1998 mit dem Zusammenbruch des langfristigen Kapitalmanagement-(LTCM-)Hedge-Fonds in Greenwhich, Connecticut, eine systemische Krise gedroht. Erst eine außergewöhnliche koordinierte Intervention der Zentralbank, geführt von der US-Notenbank von Greenspan, verhinderte einen globalen Zusammenbruch.
Diese LTCM-Krise ist ein Kernsymptom für das, was mit der Verbriefung von Kreditforderungen von zig Billionen Dollar heutzutage falsch läuft. Seltsamerweise haben sich Greenspan und andere, die Verantwortung tragen, systematisch geweigert, diese Lektionen ernst zu nehmen.
Der eigentliche Auslöser der LTCM-Krise war ein Ereignis, das durch das Risikomodell der Hedge-Fonds nicht vorausgesehen worden war. Seine Investmentstrategien prognostizierten aufgrund von Daten aus früheren Erfahrungen eine leichte Volatilität bei den ausländischen Währungen und Obligationen. Als Russland erklärte, dass es den Rubel abwerten und seinen Verpflichtungen in Bezug auf die staatlichen Obligationen nicht nachkommen würde, gingen die Risikoparameter der Risikomodelle der LTCM praktisch in die Luft, und mit ihnen LTCM. Die Nichteinlösung staatlicher Verbindlichkeiten war ein Ereignis, das nicht »normal« war.
Im Gegensatz zu den Risikoannahmen jedes von der Wall Street verwendeten Risikomodells ist die reale Welt auch nicht normal, sondern ziemlich unvorhersehbar.
Um ihre Verluste zu decken, begannen die LTCM und ihre Gläubigerbanken mit einem Panikverkauf von allem, was man flüssig machen konnte, wodurch wiederum Panikverkäufe anderer Hedge-Fonds ausgelöst wurden, um ihre exponierte Position abzudecken. Als Reaktion darauf fiel der US-Börsenmarkt um 20 Prozent und die europäischen Märkte um 35 Prozent. Die Investoren suchten Sicherheit in den amerikanischen Schatzobligationen, wodurch der Zinssatz um über einen vollen Punkt fiel. Als Ergebnis fingen die hoch kreditfinanzierten Investitionen von LTCM an zu bröckeln. Bis Ende August 1998 hatte sie 50 Prozent des Wertes ihrer Kapitalinvestitionen eingebüßt.

Im Sommer 1997, inmitten der von den Hedge-Fonds geführten Attacke auf die anfälligen Währungen von Thailand, Indonesien, Südkorea, Malaysia und anderen asiatischen »Tigerstaaten« mit hohen Wachstumsraten, verlangte Indonesiens Ministerpräsident Mahathir Mohamad öffentlich nach einer größeren Kontrolle der zweifelhaften Spekulationen mit Hedge-Fonds. Damit verletzte er ein Tabu des Finanzmarktes und nannte den Namen des größten Hedge-Fonds, der in Asien involviert war – George Soros’ Quantum Fund.

Aufgrund der Intervention von Finanzminister Robert Rubin, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Goldman Sachs und von der Notenbank Greenspans wurde niemals eine Übersicht der undurchsichtigen Hedge-Fonds im Ausland erstellt. Stattdessen ließ man es zu, dass sie sich zu Fonds entwickelten, die 2007 über mehr als 1,4 Billionen Dollar verfügten.

Fatal fehlerhafte Risikomodelle
Der wichtigste Punkt bei der LTCM-Krise, die die Fundamente des globalen Finanzsystems in Wanken brachte, war, wer daran beteiligt war und von welchen wirtschaftlichen Annahmen man ausging – genau dieselben fundamentalen Annahmen, von denen man ausging, als man die enorm fehlerhaften Risikomodelle des Debakels mit der Verbriefung von Kreditforderungen konstruierte.
Anfang 1998 verfügte LTCM über ein Kapital von 4,8 Milliarden Dollar und ein Portefeuille von 200 Milliarden Dollar aus ihrer Kreditkapazität oder ihrem Kreditrahmen, die von allen größeren amerikanischen und europäischen Banken geborgt worden waren, die auf ungeahnte Gewinne aus dem erfolgreichen Fond versessen waren. LTCM besaß Derivate mit einem Nennwert von 1.250 Milliarden Dollar. Das heißt, dass ein unregulierter Hedge-Fond ein Portefeuille von Optionen und anderen Finanzderivaten im Nennwert von eineinviertel Billionen besaß. Davon hätte bisher niemand auch nur zu träumen gewagt. Aber der Traum verwandelte sich sehr schnell in einen Alptraum.

Im Slang der Wall Street war LTCM ein »highly geared fund«, ein Fond mit sehr hohem Fremdkapital. Einer seiner Investoren war die italienische Zentralbank, so beeindruckend war der Ruf des Fonds.
Zu den größeren globalen Banken, die Geld ins LTCM gepumpt hatten, weil sie hofften, am Erfolg und an den unglaublichen Profiten teilzuhaben, gehörten Bankers Trust, Barclays, Chase, Deutsche Bank, Union Bank of Switzerland, Salomon Smith Barney, J.P. Morgan, Goldman Sachs, Merrill Lynch, Crédit Suisse, First Boston, Morgan Stanley Dean Witter, Société Générale, Crédit Agricole, Paribas, Lehman Brothers. Das waren dieselben Banken, die knapp ein Jahrzehnt später im Zentrum der Verbriefungskrise von 2007 auftauchen sollten.

Bei einer Pressekonferenz zu jener Zeit versuchte der US-Finanzminister Rubin eine Krise kleinzureden, die sich als fundamentaler Makel des gesamten Risikomodells erwies. Er erklärte: »LTCM war ein isolierter Einzelfall, bei dem die Notenbank in New York urteilte, dass es mögliche systemische Implikationen eines Versagens gab. Sie organisierten dann eine Gruppe von Institutionen des privaten Sektors, die dann ein Urteil abgab, das in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse lag.«
Eine Ursache für die Ehrfurcht gegenüber dem LTCM war das »Dreamteam«, das es leitete. Der Vorstandsvorsitzende und Gründer des Fonds war John Meriwether, ein legendärer Händler an der Wall Street, der nach einem Skandal wegen des Kaufs von US-Schatzbriefen die Firma Salomon Brothers verließ. Dieser Skandal hatte sein Selbstbewusstsein nicht im geringsten angekratzt. Als er gefragt wurde, ob er an effiziente Märkte glauben würde, antwortete er ganz bescheiden: »Ich werde sie effizient MACHEN.« Zu den wichtigsten Aktionären des Fonds gehörten die beiden herausragenden Experten in der »Wissenschaft vom Risiko«, Myron Scholes und Robert Merton.


Scholes und Merton erhielten 1997 von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für ihre Arbeit über Derivate. LTCM verfügte ebenfalls über eine beeindruckende Zahl von Finanzprofessoren, Doktoren der Mathematik, Physiker und anderen »Raketenwissenschaftlern«, die in der Lage waren, extrem komplexe, kühne und profitable Finanzpläne zu erstellen.

Black-Scholes, fundamentale Fehler und Risikomodelle
Die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler. Scholes und Mertons grundlegenden Axiome des Risikos, die Theorien, auf denen ihre Modelle aufgebaut waren, waren falsch. Sie waren auf Sand gebaut. Sie waren grundsätzlich und katastrophal falsch. Ihr Preismodell der mathematischen Optionen ging davon aus, dass es Perfekte Märkte gäbe, Märkte, die so extrem tief sind, dass die Maßnahmen der Händler die Preise nicht beeinträchtigen könnten. Sie gingen davon aus, dass die Märkte und die Player rational wären. Die Realität sieht ganz anders aus. Märkte sind langfristig grundsätzlich irrational. Aber die Risikopreis-Modelle von Black, Scholes und anderen während der vergangenen zwei oder mehr Jahrzehnte hatten es den Banken und Kreditinstituten gestattet, zu behaupten, dass die traditionelle Vorsicht bei der Vergabe von Krediten altmodisch wäre. Mit der entsprechenden Optionsversicherung wäre das Risiko kein Problem mehr. Man konnte die Feste also feiern, wie sie fielen.
Damit ignorierte man natürlich die tatsächlichen Marktbedingungen bei jeder größeren Marktpanik, seit das Black-Scholes-Modell beim Chicago Board Options Exchange eingeführt wurde. Man ignorierte die fundamentale Rolle der Optionen und der »Portefeuilleversicherung« beim Börsenkrach von 1987; man ignorierte die Panik, die 1998 das Long Term Capital Management zu Fall brachte – an dem sowohl Scholes als auch Merton beteiligt waren. Die Wall Street ignorierte zusammen mit den Ökonomen und Chefs der Notenbank Greenspans das Offensichtliche.
Im Gegensatz zu dem Dogma, das seit Jahrzehnten an allen Wirtschaftsfakultäten gelehrt wird, handelt es sich bei Finanzmärkten nicht um einfache und problemlose Modelle, die sich nach der Gausschen Glockenkurve richten, so als ob diese ein Naturgesetz wäre. Die Tatsache, dass die Hauptarchitekten der modernen Theorien der Finanzierungstechnik – der jetzt der seriös klingende Name »Finanzwirtschaftswissenschaft« verpasst wurde – allesamt den Nobelpreis erhielten, verlieh diesen fehlerhaften Modellen die Aura der päpstlichen Unfehlbarkeit. Nur drei Jahre nach dem Crash von 1987 verlieh das Nobelkommittee in Schweden Harry Markowitz und Merton Miller den Preis. 1997, mitten in der Asienkrise, erhielten Robert Merton und Myron Scholes den Nobelpreis. (3)

Das Seltsame an den fehlerhaften Risikomodellen, die seit den Ursprüngen der Finanzderivate in den Achtzigern bis zum explosiven Wachstum der Verbriefung von Kreditforderungen im letzten Jahrzehnt verwendet wurde, war, wie wenig sie in Frage gestellt wurden.
LTCM verfügte über erstklassige Wall-Street-Investmentbanker, zwei Ökonomen, die den Nobelpreis gewonnen hatten und die die Theorie der Preisderivate für alles, von den Aktien bis zu den Währungen, praktisch erfunden hatten. Um die Prominentenliste der LTCM zu vervollständigen, warf David Mullins, ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Notenbank unter Alan Greenspan, seinen Job hin, um Partner bei LTCM zu werden.

Im Jahr 1998 war die größte Bank der Schweiz infolge der LTCM-Krise technisch zahlungsunfähig und musste still in einer »Fusion« mit der Schweizer Bank gerettet werden. Heute gilt die vereinte UBS als einer der größten Verlierer im Verbriefungsdebakel.

Trotz all dem hatten die Händler bei der LTCM und jene, die ihnen im August 1998 bis zum Rand des finanziellen Abgrunds folgten, keine Absicherung gegen die eine Sache, mit der sie jetzt konfrontiert wurden – dem systemischen Risiko. Dieses trat ein, sobald das »unmögliche Ereignis«, das Staatsausfallrisiko Russlands, sich als möglich herausstellte.
Trotz der eindeutigen Lektionen aus dem katastrophalen LTCM-Debakel gab es und gibt es kein Derivat, das gegen das systemische Risiko absichert – Greenspan, Rubin und die New Yorker Banken fuhren fort, ihre Risikomodelle aufzubauen, so als ob absolut nichts geschehen wäre. Das russische Staatsausfallrisiko wurde als ein Ereignis abgetan, »das sich höchstens einmal in hundert Jahren ereignet«. Die Banker der Wall Street bauten weiter ihre dot.com-Blase auf und danach die größte Finanzblase in der Geschichte der Menschheit – die Asset-Securitization-Blase von 2002 bis 2007.

Das Leben ist keine Glockenkurve
Das Risiko und sein Preis verhalten sich nicht wie eine Glockenkurve, weder auf den Finanzmärkten, noch bei der Erschließung von Ölfeldern. Im Jahre 1900 behauptete ein obskurer französischer Mathematiker und Finanzspekulant namens Louis Bachelier, dass die Preisänderungen bei Obligationen oder Aktien einer glockenförmigen Kurve folgten, die der deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauss als Arbeitsmodell konzipierte, um statistische Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Ereignisse darzustellen. Glockenkurven nahmen bei Preisschwankungen eine milde Form von Zufälligkeit an, ebenso wie der übliche Intelligenztest den Wert 100 als »Durchschnitt« , das Zentrum der Glocke, festlegt. Es war eine Art nützlicher Alchemie, aber eben nur Alchemie.
Die Annahme, dass Schwankungen bei Finanzpreisen sich grundsätzlich wie die Glockenkurve verhalten, erlaubte es den »Raketenspezialisten« der Wall Street, einen unendlichen Strom neuer Finanzprodukte herauszubringen, von dem eines obskurer und komplexer war als das vorherige. Die Theorien wurden modifiziert. Das »Gesetz der großen Zahlen« wurde hinzugefügt, um zu beweisen, dass, wenn die Zahl der Ereignisse groß genug wurde, wie das Werfen einer Münzen oder das Rollen eines Würfels, sich der Wert langfristig in einen stabilen Wert umwandeln würde. Das Gesetz der großen Zahlen, bei dem es sich nun wirklich nicht um ein wissenschaftliches Naturgesetz handelt, erlaubte es Banken wie der Citigroup oder der Chase, Hunderte von Millionen Visakarten auszustellen, ohne eine Kreditprüfung vorzunehmen, und das aufgrund von Daten, die zeigten, dass in »normalen« Zeiten die Zahlungsunfähigkeit bei Kreditkarten so selten wäre, dass sie überhaupt nicht ins Gewicht fallen würde. (4)
Die Probleme, die sich bei Modellen ergeben, die auf der Verteilung von Glockenkurven oder den Gesetzen der großen Zahlen beruhen, traten ein, als die Zeiten nicht normal waren, z.B. bei einer starken Rezession, so wie sie die Wirtschaft der USA im Augenblick durchmacht, einer Rezession, die vielleicht nur mit der von 1931 bis 1939 vergleichbar ist.
Das Bemerkenswerte war, dass die akademischen Ökonomen und die Investmentbanker, die Chefs der Notenbank, die Finanzminister, die Preisrichter, die den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften vergeben, die englischen Finanzminister und die Banker der High Street, die Bank von England, um nur einige der wichtigen Namen zu nennen, alle bereit waren, die Tatsache zu ignorieren, dass Wirtschaftstheorien, Theorien in Bezug auf das Verhalten des Marktes und Theorien der Risikopreise von Derivaten nicht in der Lage sind, nichtlineare Überraschungen vorauszusagen, geschweige denn, sie zu verhindern. Man konnte mit ihnen nicht das Platzen von Spekulationsblasen voraussagen, weder im Oktober 1987, noch im Februar 1994 oder im März 2002, und mit Sicherheit nicht seit Juni 2007. Das war nicht möglich, denn das verwendete Modell selbst schuf die Bedingungen, die doch erst zu immer größeren und destruktiveren Blasen führten. Finanzökonomie war nur ein anderes Wort für den ungezügelten spekulativen Exzess, einen Prozess, der seit der holländischen Tulpenspekulation des 17. Jahrhunderts unweigerlich Blasen und das Platzen von Blasen verursacht hatte.

Eine Theorie, die nicht in der Lage war, solche großen definitionsgemäß »nichtlinearen« überraschenden Ereignisse vorauszusagen, war trotz aller Nobelpreise nicht das Papier wert, auf dem sie festgehalten wurde. Dennoch setzten sich die Chefs der US-Notenbank – vor allem Alan Greenspan, die US-Finanzminister, Robert Rubin, Lawrence Summers und Henry Paulsen – durch und sorgten dafür, dass der Kongress diesen exotischen Finanzinstrumenten, die auf der Grundlage einer Theorie geschaffen wurden, die in der Realität vollkommen irrelevant war, niemals gesetzliche Einschränkungen auferlegten.
Am 29. September 1998 berichtete Reuters, dass »jeder Versuch der LTCM, Derivate zu regulieren und zu retten, sich selbst nach dem Zusammenbruch als erfolglos erwiesen hatten. Der CFTC (die Regierungsbehörde, die den Handel mit Derivaten offiziell überwacht – W.E.) wurde untersagt, die Regulierung von Derivaten zu verschärfen, und zwar gemäß einer Sprachregelung, die am späten Montag von den Vertretern des Repräsentantenhauses und des Senate, die die Verhandlungen führten, genehmigt worden war. Anfang dieses Monats bat der republikanische Vorsitzende der Landwirtschaftlichen Ausschüsse des Repräsentantenhauses und des Senats um diese Sprachregelung, um die Aufsichtsbefugnis des CFTC über die Derivate im Freiverkehr zu begrenzen, womit er die Sorgen der Industrie zum Ausdruck brachte. Mit Industrie waren natürlich die großen Banken gemeint.
Reuters fügte hinzu, dass, »als die CFTC das Thema Regulierung anschnitt, sowohl der Chef der Notenbank, Alan Greenspan, als auch Finanzminister Rubin der Industrie beisprangen und behaupteten, dass die Industrie keine Regulierung benötigte, und dass diese die Firmen ins Ausland vertreiben würde«.
Die Kombination dieser glatten Ablehnung, eine regulierende Aufsicht der explosiven neuen Finanzinstrumente, von den Credit Default Swaps zu den hypothekenbesicherten Wertpapieren reichend, sowie einer Unzahl ähnlicher exotischer »risikostreuender« finanzieller Innovationen zuzulassen, und die endgültige Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes, das die mit Wertpapieren handelnden Banken streng von den kommerziellen Kreditbanken trennte, bereitete den Weg für das, was im Juni 2007 als die zweite Große Depression in weniger als einem Jahrhundert begann. Es begann, was zukünftige Historiker zweifellos als den Untergang der Vereinigten Staaten als die dominierende globale Finanzmacht beschreiben werden.

Lügenkredite und NINA: Banken in einer Orgie des Betruges
Die Lektionen aus dem Zahlungsverzug Russlands und die systemische LTCM-Krise wurden von den großen Playern des New Yorker Finanzestablishments innerhalb von Wochen vergessen. Unterstützt durch die »Raketenwissenschaftler« der MBA, die Modelle der Glockenkurve und andere fehlerhafte Risikomodelle brachten die Finanzgiganten der US-Banken eine Welle von Megafusionen in Gang und schufen kreative Methoden, ihr Kreditrisiko aus den Büchern zu halten. Das öffnete die Türen für den größten Firmen- und Finanzbetrug in der Weltgeschichte – die »Asset Securitization« (Verbriefung von Kreditforderungen).
Da das Glass-Steagall-Gesetz Ende 1999 auf Drängen von Greenspan und Rubin endlich abgeschafft worden war, stand es den Banken jetzt frei, Rivalen aus sämtlichen Bereichen, wie Versicherungsgesellschaften, Verbraucherkreditanstalten oder Teilzahlungsbanken aufzukaufen. Die Welt der amerikanischen Banken machte eine drastische Veränderung durch.


Die Asset Securitization war startbereit.
Ohne das Glass-Steagall-Gesetz wurden jetzt nur noch Banken von der Notenbank direkt überwacht, die Firmen besaßen, sowie Tochterfirmen reiner Kreditbanken. Falls die Citigroup sich dafür entschied, ihre (staatlich regulierte) Niederlassung, die mit Subprime-Geschäften zu tun hatte, zu schließen und statt dessen eine (nicht regulierte) Tochterfirma, die sich hundertprozentig in ihrem Besitz befand und sich auf Subprime-Kredite spezialisierte, den Bereich bearbeiten zu lassen, dann könnte die CitiFinancial unter ganz anderen und lascheren Gesetzen arbeiten.
Die CitiFinancial stellt unabhängig von der Citibank Hypotheken aus. Verbrauchergruppen warfen der CitiFinancial vor, sich auf »Raubtierkredite« zu spezialisieren, bei denen skrupellose Hypothekenmakler oder Verkäufer einer Person oder einer Familie einen Kredit aufdrängen würden, der weit über deren Möglichkeiten oder Verständnis in Bezug auf die Risiken hinausgehen würde, und die natürlich auch nicht in der Lage wären, die Rückzahlung zu leisten. Und die Citigroup war nur ein typisches Beispiel für die meisten großen US-Banken und Hypothekenverleiher.

Aufgrund einer Kreditvergabe, die die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer ignorierte, rechnen Millionen von Amerikanern nun damit, ihr Haus zu verlieren.

Am 8. Januar 2008 verkündete die Citigroup mit großem Pomp die Veröffentlichung ihres konsolidierten »Plans für Hypothekengeschäfte in privaten amerikanischen Händen«, einschließlich Gewährung von Hypothekenkrediten, Dienstleistung und Verbriefung. Seltsamerweise wurde in der Erklärung die CitiFinancial weggelassen, genau die Tochterfirma mit den meisten Risiken in ihren Büchern. (5)

Schlupflöcher durch Basel I
Das, was die Banken in die Verbriefung und die Verbreitung bilanzunwirksamer Risiken, einschließlich Derivate mit hohem Fremdkapitalanteil trieb, war die Eigenkapitalvereinbarung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, bekannt als Basel I. Diese Vereinbarung unter den Zentralbanken der größten Industrienationen der Welt verpflichtete die Banken, acht Prozent eines normalen Handelskredites als Reserve für einen möglichen zukünftigen Kreditverzug zurückzulegen. Die damalige Innovation der Finanzderivate wurde auf Drängen der US-Notenbank bei Basel I nicht erwähnt.

Die Vereinbarung war ursprünglich von der ultrakonservativen Deutschen Bundesbank und anderen europäischen Zentralbanken erfunden worden, um die eher spekulative Kreditvergabe der amerikanischen und japanischen Banken zu zügeln, die zu der schlimmsten Bankenkrise seit den 1930er-Jahren geführt hatte.

Die ursprüngliche Absicht der Basler Vereinbarung bestand darin, die Banken zu zwingen, das Kreditrisiko zu reduzieren, also vorsichtiger und konservativer zu sein. Die tatsächliche Wirkung für die US-Banken war das genaue Gegenteil. Die Banken entdeckten ziemlich bald ein riesiges Schlupfloch – die bilanzunwirksamen Transaktionen, nämlich Derivate und Verbriefung. Da sie von Basel I nicht berücksichtigt wurden, mussten sie kein Kapital beiseite legen, um potentielle Verluste auszugleichen.
Der Vorteil der Verbriefung von Kreditforderungen, z.B. Wohnungsbaukrediten, für die ausstellende Bank war, dass sie den Kredit oder die Hypothek nehmen und dann unverzüglich an einen Verbriefer oder Zeichner verkaufen konnte, der Hunderte oder Tausende solcher Kredite zu einem neuen forderungsbesicherten Wertpapier bündelte. Diese anscheinend geniale Innovation war viel gefährlicher, als es den Anschein hatte. Die Kreditbanken mussten nicht länger einen Hypothekenkredit 20 bis 30 Jahre in ihren Büchern führen, wie dies bisher traditionell der Fall war. Sie verkauften ihn zu einem Rabatt und verwendeten das Geld, um die nächste Runde der Kreditausstellung einzuläuten.
Das bedeutete auch, dass sich die Kreditbank nicht länger darüber Sorgen machen mussten, ob der Kredit jemals zurückbezahlt werden würde.

Betrug a la mode
Es dauerte nicht lange, bevor die Kreditbanken in den ganzen Vereinigten Staaten merkten, dass sie auf einer riesigen Goldmine saßen, größer als die beim Goldrausch in Kalifornien. Sie machen sich überhaupt keine Sorgen darüber, ob jemand, der einen Hausbaukredit in Anspruch nahm, in der Lage war, seine Schulden in den nächsten Jahrzehnten zurückzuzahlen. Sie machten eine Menge Geld durch das reine Kreditvolumen und den Weiterverkauf der Kredite an die Verbriefer.
Bald wurde es normal, dass die Banken ihre Hypothekenkreditvergabe freien Maklern übertrugen. Anstatt die Kreditnehmer auf ihre Kreditwürdigkeit zu überprüfen, verließen sich die Makler meist ausschließlich auf verschiedene Online-Kredit-Fragebögen, ähnlich wie die Anträge für eine Visa-Karte, wo keine Nachprüfung erfolgt. Es wurde zu einer üblichen Praxis, dass Hypothekenkreditgeber Maklern Bonusanreize gewährten, damit diese eine größere Menge von unterzeichneten Kreditverträgen einbrachten – eine weitere Möglichkeit für massiven Betrug. Die Banken machten mehr Profit mit hohen Mengen an Krediten und verkauften sie dann zur Verbriefung an die Wall Street. Die Welt des traditionellen Bankwesens wurde auf den Kopf gestellt.

Dass eine Bank jetzt nicht mehr den Anreiz hatte, auf die Solidität eines Kreditnehmers zu achten, z.B. durch Anzahlungen und eine gründliche Untersuchung der Kreditwürdigkeit, stellten viele US-Banken sogenannte »Lügenkredite« aus, einfach um das Kreditvolumen und die Umsätze zu erhöhen. Sie wussten, dass die Person in Bezug auf ihre Kreditwürdigkeit und ihr Einkommen log, um ihr Traumhaus zu bekommen. Aber das war ihnen einfach egal. Sie verkauften das Hypothekenrisiko einfach weiter, kaum dass die Tinte auf dem Kreditvertrag trocken war.

Nach 2002 kam eine neue Terminologie für solche Kredite auf, z.B. »NINA«-Hypotheken – No Income, no assets (kein Einkommen, kein Vermögen). »Kein Problem, Mr. Jones! Hier sind die 400.000 Dollar für Ihr neues Haus. Alles Gute.«
Da Glass-Steagall jetzt kein Hindernis mehr war, konnten die Banken eine Vielzahl 100-prozentiger Tochterfirmen gründen, um das boomende Geschäft mit den Wohnungsbauhypotheken zu bedienen. Der Gigant in diesem ganzen Prozess war die Citigroup, die größte US-Bankengruppe mit einem Vermögen von über 2,5 Billionen Dollar.
Zur Citigroup gehört die Travelers Insurance, eine bundesstaatlich regulierte Kreditbank. Zu ihr gehört die alte Citibank, eine riesige Kreditbank. Zu ihr gehört die Investmentbank Smith Barney. Und zu ihr gehört auch der aggressive Subprime-Kreditgeber CitiFinancial, der nach Aussagen zahlreicher Verbraucherberichte einer der aggressivsten Raubtier-Kreditgeber (5) ist und die Subprime-Hypotheken häufig an völlig unbedarfte oder insolvente Kreditgeber, meist Schwarze oder Latinos, vergibt. Zu ihr gehört auch die Universal Financial Corp., einer der größten Aussteller von Kreditkarten in den USA, der das sogenannte Gesetz der großen Zahlen dazu benutzte, um seinen Kundenkreis unter immer zweifelhafteren Kreditrisiken zu vergrößern.

Zur Citigroup gehören auch Banamex, die zweitgrößte Bank Mexikos, und die Banco Cuscatlan, die größte Bank von El Salvador. Banamex war eine der größeren Banken in Mexiko, die der Geldwäsche beschuldigt wurden. Und das war nichts neues für die Citigroup. Im Jahre 1999 untersuchten der amerikanische Kongress und das GAO (Bundesrechnungshof) die Citigroup wegen der Geldwäsche von 100 Millionen Dollar Drogengeldern für Raul Salinas, den Bruder des damaligen mexikanischen Präsidenten. Durch die Untersuchung wurde ebenfalls festgestellt, dass die Bank Geld für korrupte Beamte von Pakistan über Gabun bis Nigeria gewaschen hatte.

Die Citibank, der größte US-Darlehens- und Hypothekengeber, war daran beteiligt, 100 Millionen Dollar Drogengeld für den Bruder von Mexikos Präsident Salinas zu waschen.

Die Citigroup, der finanzielle Moloch, war nur ein typisches Beispiel dafür, was mit den amerikanischen Banken nach 1999 passierte. Es war eine ganz andere Welt, vielleicht mit Ausnahme der Exzesse der »goldenen« 1920er-Jahre. Der Betrug und der Missbrauch bei den Krediten, der sich in der neuen Ära der Verbriefung abspielte, überstieg sämtliche Vorstellungen.

Die Raubtiere hatten ihre große Zeit
Eine amerikanische Verbraucherorganisation dokumentierte einige der üblichsten kriminellen Kreditpraktiken während des Immobilienbooms:
»In den Vereinigten Staaten gibt es im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts viele zweifelhafte Firmen, die solche Kredite anbieten. Einige sind sehr alt – z.B. Household Finance und ihre Schwesterfirma Beneficial – und andere etwas neuer, wie CitiFinancial. Beide bieten Kredite zu Sätzen von über 30 Prozent an. Das Geschäft boomt: Die Gewinne, behauptet die Wall Street, sind zu groß, um darauf zu verzichten. Die Citibank zahlt unter fünf Prozent Zinsen auf die Einlagen. Die mit ihr verbundenen Kredithaie verrechnen einen vier mal so hohen Satz, selbst für Kredite, die durch das Haus des Kreditnehmers gesichert sind. Es ist ein Vorschlag, den man einfach nicht ablehnen kann. Selbst wenn die Wirtschaft den Bach runter geht – sie können die Sicherheit nehmen und weiterverkaufen.
Das Geschäft ist global: Die Hong Kong & Shanghai Banking Corporation, jetzt HSBC, will es in mehr als 80 Länder exportieren, in denen sie nicht präsent ist. Institutionelle Investoren lieben dieses Geschäftsmodell, und die Investmentbanken verbriefen die Kredite … Die Wurzel jedoch, das Fundament, auf dem die ganze Pyramide steht, ist der einzelne Kunde am sogenannten Ort des Verkaufs … Punkte und Gebühren können dem verliehenen Geld hinzugefügt werden. CitiFinancial und Household Finance schlagen ihren Kunden vor, eine Versicherung abzuschließen. Dies machen sie auf unterschiedliche Art und Weise schmackhaft – Kreditlaufzeit und ›Credit Disability‹, ›Credit Unemployment‹ und Sachversicherung – aber in fast allen Fällen ist es in den Krediten eingeschlossen, und es werden Zinsen dafür berechnet. Es nennt sich ›einmalige Prämie‹ – statt jeden Monat für die Deckung zu zahlen, zahlen Sie im Voraus mit Geld, auf das Sie Zinsen zahlen. Wenn Sie sich dafür entscheiden, zu refinanzieren, dann bekommen Sie keine Rückerstattung. Das Geld geht den Bach runter, aber am Ort des Verkaufs merkt man davon häufig nichts.
Nehmen wir zum Beispiel den Kauf von Möbeln. Ein Schlafzimmerausstattung könnte 2000 Dollar kosten. Auf dem Schild steht: Easy Credit … Der Möbelpacker verwaltet diese Konten nicht. Dafür wendet er sich an CitiFinancial, an HFC oder vielleicht an Wells Fargo. Während die Notenbank Geld an Banken unter fünf Prozent verleiht, berechnen diese Bankniederlassungen 20, 30 oder 40 Prozent. Sie haben eine Versicherung auf Ihre Möbel, um Sie zu schützen, behaupten sie, damit die Möbel nicht wieder abtransportiert werden, wenn Sie sterben oder arbeitslos werden. Bevor die Schuld abgetragen ist, werden Sie, ob Sie nun tot oder noch lebendig sind, mehr als den Listenpreis eines Luxuswagens oder eine Krypta mit einem Pförtner bezahlt haben.
Irgendwann macht man Ihnen ein toll klingendes Angebot: Wenn Sie Ihr Haus als Sicherheit bieten, wird Ihr Satz gesenkt und die Laufzeit verlängert. Eine zwanzigjährige Hypothek, fest oder variabel. Der Satz wird hoch sein, und die Bedingungen werden nicht verraten. Wenn Sie zum Beispiel den Kredit zu schnell zurückzahlen, wird man Ihnen eine Strafe verpassen. Oder aber Sie zahlen zu langsam, und dann werden Sie gebeten, mehr zu zahlen. Wenn Sie das nicht können, dann ist das schon in Ordnung. Das wusste man ja bereits vorher. Das Ziel besteht darin, Ihren Kredit zu refinanzieren und Ihnen noch mehr Gebühren aufzuerlegen.
In früheren Jahrhunderten nannte man so etwas Schuldsklaverei. Heutzutage ist dies das Schicksal der sogenannten Subprime-Sklaven. Ganze 20 Prozent der amerikanischen Haushalte werden als Subprime eingestuft. Aber nach Angaben von Fannie Mae und Beltway hätten die Hälfte der Leute, die Subprime-Kredite bekommen, normale Zinssätze zahlen können. Draußen herrscht das Gesetz des Dschungels. Die einzige Regel ist: Käufer, Vorsicht!« (7)
In den Achtzigern interviewte ich einen führenden Wall-Street-Banker, der sich zu dieser Zeit von einer Art Burnout-Syndrom erholte. Ich befragte ihn über die Geschäfte seiner Bank in Cali, Kolumbien, während der Glanzzeit des Cali-Kokainkartells. Er vertraute mir inoffiziell an: »Ich war früher in Cali. Männer mit Sonnenbrillen kamen in die Bank mit Koffern, die mit Dollar-Scheinen vollgestopft waren. Die Banken taten wirklich alles, um ein Stück von dem Kuchen abzubekommen, so lukrativ waren die Geschäfte.« Dieselben Banken stürzten sich dann auf das Subprime-Kreditgeschäft, wobei sie ähnliche Ziele verfolgten. Die Gewinne waren jedenfalls so hoch wie bei der Wäsche von Drogengeldern.
Und wiederum war es Alan Greenspan, der die Ausweitung der Kreditvergabe auf die ärmsten Bewohner der Ghettos veranlasste. Edward M. Gramlich, ein Chef der Notenbank, der im September 2007 starb, warnte bereits vor fast sieben Jahren, dass eine sehr schnell wachsende, ganz neue Art von Kreditgebern viele Menschen zu riskanten Hypotheken überredeten, die diese sich überhaupt nicht leisten konnten. Als Gramlich privat die Prüfer der Notenbank drängte, Hypotheken-Kreditgeber, die mit nationalen Banken in Verbindung standen, zu überprüfen, erhielt er von Alan Greenspan eine Abfuhr. Nach Aussagen von Insidern der Notenbank leitete Greenspan diese Bank fast wie ein absoluter Herrscher. (8)
Das FBI, das mit Sicherheit nur die Spitze eines sehr großen Eisberges von Betrug entlarvt hat, hat kürzlich bekanntgegeben, dass es 14 Unternehmen auf möglichen Bilanzierungsbetrug, Insiderhandel und andere Vergehen im Zusammenhang mit Wohnungsbaukrediten an zweifelhafte Kreditnehmer untersuchen würde. Die Behörde gab bekannt, dass die Untersuchung Firmen aus der gesamten Finanzdienstleistungsindustrie betraf, von Hypothekenkreditgebern bis zu Investmentbanken, die Wohnungsbaukredite zu Wertpapieren bündeln, die an Investoren verkauft werden.
Zur gleichen Zeit untersuchten Behörden in New York und Connecticut, ob Wall-Street-Banken wichtige Informationen über hochriskante Kredite zurückgehalten hatten, die in Wertpapiere gebündelt und an Investoren verkauft wurden. Der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, sagte, dass er und der Generalstaatsanwalt von New York, Andrew Cuomo, überprüfen würden, ob Banken ordnungsgemäß das hohe Ausfallrisiko der sogenannten »Ausnahme«kredite bekannt gegeben hätten – die als noch riskanter als Subprime-Kredite angesehen werden –, als sie diese Wertpapiere an Investoren verkauften. Im November 2007 erließ Cuomo gerichtliche Vorladungen an die staatlich geförderten Hypothekenfirmen Fannie Mae und Freddie Mac im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen von Interessenkonflikten innerhalb der Hypothekenindustrie. Er sagte, er wollte Immobilienkredite im Wert von Milliarden Dollar untersuchen, die sie von Banken erworben haben, z.B. von der größten amerikanischen Spar- und Darlehenskasse Washington Mutual Inc., und wie die Bewertungen durchgeführt worden seien.
Das FBI teilte mit, dass es die Praktiken von Subprime-Kreditgebern untersuchen wollte, sowie potentiellen Bilanzbetrug durch Finanzunternehmen, die diese Kredite in ihren Büchern führten oder sie verbrieften und dann an andere Investoren weiterverkauften. Morgan Stanley, Goldman Sachs Group Inc. und Bear Stearns Cos. gaben bekannt, dass sie auf Verlangen mit verschiedenen nicht genannten staatlichen Behörden zusammenarbeiten würden. (9)
Ein ehemaliger Grundstücksmakler aus dem pazifischen Nordwesten, der sein Geschäft aufgab, weil es ihn anwiderte, ahnungslosen Kreditnehmern Hypotheken aufzuschwatzen, beschrieb einige der typischen Praktiken der skrupellosen Makler in einem Memo an mich über die Zeichnung von variabel verzinsten Hypotheken (Adjustable Rate Mortgages = ARMs):
»Das Subprime-Fiasko ist ein wahrer Alptraum. Aber die erstklassigen zinsvariablen Hypotheken haben das Potential für eine unglaubliche Katastrophe. Der erste ›Schluckauf‹ erfolgte im Juli/August 2007 – das war das erste ›Subprime-Fiasko‹, aber im November 2007 war es mehr als nur ein Schluckauf. Im November 2007 wurden die erstklassigen zinsvariablen Hypotheken nach oben korrigiert.
Das bedeutet, dass die zinsvariablen Hypotheken am ›Jahrestag des Kredites‹ an einen höheren Satz angepasst wurden. Dies geschah, weil diese Hypotheken zu einem Locksatz erworben wurden, der üblicherweise einen oder anderthalb Prozent beträgt. Zahlungen zu diesem Satz sind zwar sehr attraktiv, tragen jedoch nicht dazu bei, die Darlehenssumme zu reduzieren und erzeugen sogar unbezahlte Zinsen, die an den Kredit gebunden werden. Den Kreditnehmern wird die Möglichkeit geboten, die Zahlungen der Locksätze für das gesamte erste Jahr zu leisten, obwohl der Satz nur für den ersten Monat gilt.
Sorgen über eine ›negative Amortisierung‹, bei der die Kreditschuld höher ist als der Marktwert des Eigentums, wurden zerstreut durch den Hinweis auf das Wachstum des Immobilienwertes aufgrund der von den Banken erzeugten Blase, die als normal bezeichnet wurde, und von der man behauptete, dass man sich darauf verlassen könnte, dass alles so weitergehe. All dies wurde von den Kreditgebern gefördert, die Armeen von Kundenberatern, d.h. Vertretern, zu den Hypothekenmaklern schickten, um zu erklären, wie das funktionieren würde.
Der wichtigste Teil bei den Gewinnen der Banken waren variable Zinssätze bei Immobilienkrediten – die Marge – und ein objektiver Indikator der Kosten für die geborgten Gelder für die Bank, bekannt als der Index. Es wurden Indizes verwendet, die durch unterschiedliche Wirtschaftsaktivitäten erzeugt wurden – z.B. was die Banken im Land für 90-tägige Einlagezertifikate zahlten oder was die Banken in der London Interbank Exchange (LIBOR) für Dollars bezahlten. Die Marge auf den Index zu schlagen, ergibt den wahren Zinssatz für den Kredit – den Satz, zu dem der Kredit, nach 30 Jahren komplett abbezahlt (amortisiert) ist. Es nennt sich der ›voll indizierte Satz‹.
Ich picke einen willkürlichen Satz von sechs Prozent als ›realen‹ oder inflationsbereinigten Zinssatz aus (drei Prozent Spanne + drei Prozent Inflationsindex). Mit einem Kreditbetrag von 250.000 Dollar würde die monatliche Zahlung bei einem Prozent bei 804,10 Dollar liegen. Das ist das ›Lockzinsangebot‹, exklusive Steuern und Versicherung. Dies würde sich an die Veränderungen beim Index anpassen. Aber die Spanne bleibt gleich für die gesamte Kreditlaufzeit.
Dieser Kredit ist so strukturiert, dass die Zahlungsanpassungen nur einmal pro Jahr vorgenommen und auf 7,5 Prozent der Zahlung des vorangegangenen Jahres begrenzt werden. Das kann für einen Zeitraum von fünf Jahren (oder im Falle eines Kreditgebers auch zehn Jahren) so weiter gehen, ungeachtet dessen, was in der realen Welt so vor sich geht. Dann, am Ende der fünf Jahre, fallen die Begrenzungen weg, und alles passt sich den Zahlungen unter dem ›voll indizierten Satz‹ an.
Hat der Kreditnehmer die ganze Zeit nur die erforderlichen Mindestzahlungen geleistet, kann dies zu einem Schock führen, der in die Tausende geht. Hat sich der Wert des Hauses um 25 Prozent reduziert, wird der Kreditnehmer, dieses Mal jemand mit ausgezeichneter Kreditwürdigkeit, aufgefordert, es der Bank zurückzugeben, was den Wert des Hauses um mindestens weitere 25 Prozent herabdrückt und sich auch auf die umgebenden Grundstücke niederschlägt.« (10)
Nach Aussagen eines Bankeninsiders aus Chicago wurden die Banker in den USA in der ersten Wochen des Februars 2008 auf folgendes aufmerksam gemacht:
»Die Chase Manhattan Bank (CMB) hat eine unbegrenzte Zahl von Mitteilungen in Bezug auf Kreditlinien an ihre Kunden gesandt. Die Bedingungen ihrer Kreditlinien, die einst sehr populär waren, werden jetzt manipuliert, und der Wert der Aktiva, die sie sichern, werden einseitig nach unten korrigiert, manchmal um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass Hausbesitzer Zahlungen für einen Kredit leisten, um etwas zu kaufen, das anscheinend nur die Hälfte des Darlehenskapitals wert ist, und dazu noch Zinsen bezahlen. Die einzige vernünftige Lösung in vielen Fällen ist, einfach auszusteigen, was zu einem größeren Wertverlust führt und auch den Wert der umgebenden Grundstücke herabdrückt und zu einer Lawine von Zwangsvollstreckungen führt.
Dies wurde besonders bei Fällen von Akkreditiven mit ›kreativer Finanzierung‹ verschlimmert – Akkreditive, die bei 90 bis 100 Prozent des Wertes bezogen wurden, bevor die Blase platzte …
Die CMB hat automatisch Kreditlinien abgeschafft, die einen ›offenen‹ Kredit versprechen, d.h. dass der Kreditnehmer etwas Geld für die Zukunft im Akkreditiv gelassen hat – über ein 80-Prozent-Verhältnis zum Betrag der Beleihungsquote des Grundstücks. Dies erfolgte massenhaft ohne irgendwelchen Bezug zu den Eigentümern.«
Beleihungswertbeschränkungen bedeuten, dass der Geldbetrag, den der Kreditgeber bereit ist zu leihen, nicht den festgelegten Prozentsatz des Grundstückswertes überschreiten darf. Allgemein ist es üblich, dass ein Gutachter beauftragt wird, um den Grundstückswert zu schätzen. Die Schätzung wird anhand vergleichbarer Verkäufe anderer Grundstücke in der Gegend durchgeführt, die, mit wenigen Ausnahmen, nicht mehr als eine Meile vom betreffenden Grundstück entfernt sein dürfen. Das war nur die Spitze des Eisbergs des Hypothekenschwindels, der dem sich gegenwärtig entwickelnden Tsunami vorausging.

Der Tsunami fängt gerade erst an
Der fatale Fehler der Risikomodelle, die von der Wall Street, von Moody’s, von den Monoline-Versicherern und den Ökonomen der US-Regierung und der Notenbank verwendet wurden, bestand darin, dass man davon ausging, dass Rezessionen nicht länger möglich seien, weil man das Risiko unendlich streuen und über den gesamten Globus verteilen könnte.
Die Preise all dieser verbrieften Aktiva, die Billionen von Dollar wert waren, wurden aufgrund solcher falschen Annahmen bewertet. All die Billionen von Dollar bei Credit Default Swaps – die Illusion, dass man sich mit Derivaten billig gegen Kreditverzug versichern könnte –, all dies explodierte in einer fortgesetzten Reihe katastrophaler Krisen, während der Immobilienmarkt in den USA zusammenbrach.
Je mehr die Immobilienpreise fielen und je mehr die Hypotheken mit höheren Zinssätzen belastet wurden, desto höher stieg die Arbeitslosigkeit in den gesamten USA – von Ohio bis Michigan, von Kalifornien bis Pennsylvania, von Colorado bis Arizona. Je mehr Arbeiter arbeitslos oder unbeschäftigt wurden, desto dramatischer wurde der Verzug bei Autokredit- und Kreditkartenzahlungen.
Dieser Prozess setzte eine Abwärtsspirale der Preise für Wirtschaftsgüter in vielen Teilen der Welt in Gang. In den ersten Wochen von 2008 zeigte der Prozess allmählich, wie hässlich die Sache werden könnte.
Der Subprime-Sektor war nur der erste Hinweis darauf, was noch folgen sollte. Es wird Jahre dauern, bis dieser Prozess nachlässt. Die beschädigten Produkte der forderungsbesicherten Wertpapiere wurden wiederum als Sicherheit für weitere Bankkredite benutzt. Die Pyramide des Schuldenaufbaus auf verbriefte Wertpapiere sollte durch eine Umkehrung des Verhältnisses Fremdmittel zu Eigenmitteln drastisch reduziert werden, als man sich auf den globalen Märkten darüber klar wurde, dass niemand den Wert der verbrieften Wertpapiere, die man im Besitz hatte, wirklich kannte.
Mit einem – wären die Folgen ihrer kriminellen Nachlässigkeit für Millionen von Amerikanern und anderen Menschen in der ganzen Welt nicht so tragisch – geradezu lächerlichen Geständnis räumten Standard & Poors, die zweitgrößte Kreditbewertungsagentur der Welt im Oktober 2007 ein, dass sie »das Ausmaß des Betruges in der amerikanischen Hypothekenindustrie unterschätzt« hätte. Alan Greenspan machte einen schwachen Versuch, sich selbst zu entlasten, indem er behauptete, dass die Kreditvergabe an zweifelhafte Kreditnehmer nicht falsch war, sondern nur die spätere Verbriefung der Kredite. Das System selbst, mit dem man Jahrzehnte lang arbeitete, beruhte ausschließlich auf Betrug und Nichttransparenz. Aber man kann nicht davon ausgehen, dass die Verantwortlichen wirklich so naiv sind.

Als Nächstes: die Krise mit den Credit Default Swaps
Während ich dies schreibe, trifft die nächste Welle des Finanz-Tsunami die Monocline-Versicherer, bei denen, außer eine Verstaatlichung durch die US-Regierung, keine Lösung in Sicht war, weil die unbekannten Risiken so enorm waren. Mit diesem Problem haben wir uns bereits im Teil IV beschäftigt.
Was als nächstes explodieren wird, ist der 45-Billionen-Dollar-Markt der Credit Default Swaps (CDS) im Freiverkehr, eine Erfindung von J.P. Morgan.
Greenspan machte eindeutig klar, dass der CDS-Markt unreguliert und undurchsichtig blieb, so dass sich niemand über den Umfang der Risiken in einer nachlassenden Wirtschaft klar war. Da der Markt nicht reguliert wird, kommt es häufig vor, dass ein Partner bei einem CDS an ein weiteres Finanzinstitut weiterverkaufte, ohne den ursprünglichen Partner darüber zu informieren. Das bedeutet, dass, falls ein Investor seine CDS einkassieren will, er den Zahler des Anspruchs ausfindig machen kann. Der CDS-Markt war zum allergrößten Teil in den New Yorker Banken konzentriert, die Ende 2007 Swaps im Nennwert von 14 Billionen Dollar besaßen. Die bekanntesten von ihnen waren die J.P. Morgan Chase mit 7,8 Billionen Dollar und die Citigroup sowie die Bank of America mit jeweils drei Billionen Dollar.
Das Problem wurde durch die Tatsache verschärft, dass von den 45 Billionen Dollar an Credit Default Swaps etwa 16 Prozent oder 7,2 Billionen Dollar gezeichnet wurden, um die Besitzer von besicherten Schuldtiteln dort zu schützen, wo die Probleme mit der Hypothekensicherheit konzentriert waren. Der CDS-Markt war eine tickende Zeitbombe mit einem Atomzünder. Wenn sich die Kreditkrise in den kommenden Monaten ausbreitet, werden die Unternehmen zwangsläufig mit ihren Obligationen in Verzug geraten und Zeichner von CDS-Versicherungen sich mit explodierenden Forderungen und nicht transparenten Bestimmungen konfrontiert sehen. Ein Regelungsverfahren für Forderungen für einen Markt, der nominell 45 Billionen Dollar wert ist, existiert gegenwärtig (Ende Februar 2008) noch nicht.
Wenn Hunderttausende von Amerikanern in den kommenden Monaten feststellen werden, dass ihre Hypothekenzahlungen entsprechend den Bedingungen der zinsvariablen Hypotheken neu festgesetzt wurden, werden voraussichtlich weitere 690 Milliarden Dollar an Wohnungsbau-Hypothekenschulden in Verzug geraten. Das wird wiederum zu einem Schneeballeffekt in Bezug auf Arbeitsplatzverluste und Kreditkartenverzug und eine weitere große Verbriefungskrise im riesigen Markt für verbriefte Kreditkartenschulden führen. Das Bemerkenswerte an dieser Krise ist, dass ein so großer Teil des gesamten amerikanischen Finanzsystems darin verwickelt ist. In der amerikanischen Geschichte hat es niemals eine Krise dieses Ausmaßes gegeben.
Ende Februar enthüllte die Financial Times in London, dass US-Banken »in aller Stille« 50 Milliarden Dollar in Fonds von einem speziellen neuen Kreditinstitut der US-Notenbank geborgt hatten, um ihre Finanzkrise zu mildern. Die Verluste aller größeren Banken von der Citigroup bis zu J.P. Morgan Chase und den meisten anderen größeren US-Banken wurden immer größer, während die Wirtschaft immer tiefer in einer Rezession versank, die sich in den kommenden Monaten mit Sicherheit in eine echte Depression verwandeln dürfte. Keiner der Präsidentschaftskandidaten hatte es gewagt, einen ernsthaften Vorschlag zu unterbreiten, wie man die größte Finanz- und Wirtschaftskrise in der amerikanischen Geschichte lösen könnte.
Anfang 2008 wurde allmählich klar, dass die Verbriefung für die USA als globale Finanz-Supermacht sozusagen der letzte Tango sein würde.
Es stellte sich jetzt die Frage, welches neue Zentrum oder neue Zentren der Finanzmacht New York als das globale Zentrum ersetzen könnten. Damit werden wir uns in Teil VI beschäftigen.


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(1) UNCTAD-Sekretariat, Recent developments on global financial markets: Note by the UNCTAD secretariat, TD/B/54/CRP.2, Genf, 28. September 2007.
(2) Für Informationen zu den wenig bekannten politischen Hintergründen der Creditanstalt-Krise des Jahres 1931, die zu einem Dominoeffekt-artigen Zusammenbruch des deutschen Bankensystems führte, siehe Engdahl, F. William, Mit der Ölwaffe zur Weltmacht, Kopp Verlag, Rottenburg 2006, Kapitel 6.
(3) Schroy, John Oswin, »Fallacies of the Nobel Gods: Essay on Financial Economics and Nobel Laureates«, unter: www.capital-flow-analysis.com/investment-essays/nobel_gods.html.
(4) Für eine faszinierende Behandlung der grundlegenden theoretischen Fehler des heute verwendeten ökonomischen und Geldmarktmodells empfehle ich das Buch des Yale-Mathematikers und Erfinders der fraktalen Geometrie, Benoit Mandelbrot. Siehe Mandelbrot, Benoit und Hudson, Richard L., The (mis) Behavior of Markets: A Fractal View of Risk, Ruin and Reward, Profile Books Ltd., London 2004.
(5) Zitiert in: Inner City Press, The Citigroup Watch, January 28, 2008, unter: www.innercitypress.org.citi.html.
(6) Rainforest Action Network, »Citigroup Becomes Mexico’s Largest Bank after Banamex Merger, 10. August 2001,« unter: forests.org/archive/samerica/cibemexi.htm.
(7) Lee, Matthew, Predatory Lending: »Toxic Credit in the Inner City«, 2003, InnerCityPress.org.
(8) Andrews, Edmund L., »Fed Shrugged as Sub-prime Crisis Spread«, The New York Times, 18. Dezember 2007.
(9) Zibel, Alan, »FBI Probes 14 Companies Over Home Loans«, AP, 29. Januar 2008.
(10) Persönliche Kommunikation des Autors mit einem früheren Hypothekenmakler eines großen US-Hypothekengebers.

Mittwoch, 02.04.2008 - Kategorie: Allgemeines, Geostrategie, Enthüllungen, Wirtschaft & Finanzen © Das Copyright dieser Seite liegt, wenn nicht anders vermerkt, beim Kopp Verlag, Rottenburg [F. William Engdahl]. Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muß nicht zwangsläufig die Meinung des Verlags oder die Meinung anderer Autoren dieser Seiten wiedergeben.


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Dienstag, 01. April 2008

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