Mittwoch, 21. Januar 2009


Erster Arbeitstag
Obama nimmt mit Vollgas Regierungsarbeit auf

Nach den Feierlichkeiten zu seiner Amtseinführung nimmt der neue US-Präsident Barack Obama heute mit Vollgas die Regierungsarbeit auf. Er wird gleich am Tag eins sein 800 Milliarden schweres Konjunkturpaket sowie die geplanten Veränderungen bei den Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan weiterbringen. Seine ersten Amtshandlungen hatte Obama bereits am Dienstag gesetzt: Nur Stunden nach seinem Amtsantritt wies er das Verteidigungsministerium an, für 120 Tage alle Verfahren vor dem Militärtribunal des Gefangenenlagers Guantanamo auszusetzen. Auch die zuletzt beschlossenen Gesetze der Bush-Administration ließ der 47-Jährige stoppen. Die teils sehr eigenartigen Bestimmungen sollen noch einmal überprüft werden.
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Obamas erste Nacht als neuer US-Präsident

Das Kabinett Obamas
Der Präsident begann seinen ersten vollen Arbeitstag im Weißen Haus laut dem neuen Regierungssprecher Robert Gibbs um 8.35 Uhr (Ortszeit, 14:35 Uhr MEZ). Er habe zehn Minuten allein im Oval Office verbracht. Danach habe Obama mit seinem Stabschef Rahm Emanuel den Terminplan des Tages besprochen. Um 9.10 Uhr habe dann Michelle Obama ihren Mann an seinem neuen Arbeitsplatz besucht.
Gottesdienst in der KathedraleObama hat um 10.00 Uhr (Ortszeit, 16.00 Uhr MEZ) traditionsgemäß mit einem Gottesdienst in der Kathedrale in Washington begonnen. Seit der Vereidigung George Washingtons 1789 gehört der Gottesdienst am Morgen nach der Vereidigung des Präsidenten zum Programm des Amtsbeginns. An diesem Mittwoch sprachen bei dem Gottesdienst Repräsentanten von 20 Religionsgemeinschaften und Glaubensrichtungen, neben christlichen Kirchen auch Vertreter der Muslime und Juden.
Eigens für den Gottesdienst wurden Gebete aus der Zeit George Washingtons sowie Teile der Vereidigungsrede von Abraham Lincoln in die religiöse Veranstaltung in der mächtigen "National Cathedral" integriert. "Wir wollten einen frischen Blick auf die Gebete werfen", betonte Pastorin Carol Wade und verwies nach einem Bericht der "Washington Post" auf Obamas Wertschätzung eines religiösen Liberalismus.
Bush hinterließ Obama Brief im Oval OfficeNach dem Gottesdienst hat Obama auf seinem Schreibtisch im Oval Office einen Brief seines Vorgängers vorgefunden. Auf dem Umschlag habe gestanden "An Nr. 44, von Nr. 43", teilte Gibbs mit. Obama ist der 44. US-Präsident, Bush der 43. Über den Inhalt des Schreibens wurde allerdings nichts bekannt. Bush war am Dienstag unmittelbar nach der Vereidigung Obamas mit seiner Frau nach Texas gereist.
Guantanamo-Verfahren ausgesetztDer gewagte Schritt Obamas beim Gefangenenlager auf Guantanamo war weithin erwartet worden. Er hatte schon im Wahlkampf um das Präsidentenamt versprochen, das international umstrittene Lager zu schließen. Das unter Ex-Präsident George W. Bush vor fünf Jahren eröffnete Lager wird nicht nur von Menschenrechtsorganisationen angeprangert, weil Insassen jahrelang ohne Verfahren festgehalten und zum Teil gefoltert wurden sowie erzwungene Geständnisse als Beweismaterial zugelassen waren.
Ein Militärrichter im Gefangenenlager hat am Mittwoch auch das Verfahren gegen fünf mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 für 120 Tage ausgesetzt. Unter den Verdächtigen sind der mutmaßliche Chefplaner Khalid Sheikh Mohammed sowie Ramzi Binalshibh, der Mitglied der Hamburger Terrorzelle gewesen sein soll. Kurz zuvor war das Verfahren gegen den als "Kindersoldaten" bekannten Kanadier Omar Khadr ausgesetzt worden.
Während der Aussetzung der Verfahren soll die neue Regierung jetzt deren Rechtmäßigkeit überprüfen. Maßgeblich geht es dabei um den Fall von fünf Männern, denen eine Mitwirkung an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zur Last gelegt wird. Mit einer sofortigen Einstellung der bisherigen Praxis der Verfahren wäre den Interessen der Justiz am besten gedient, erklärte das Pentagon. Experten schätzen, dass es ungefähr ein Jahr dauern wird, bis Obama das Lager schließen kann und Inhaftierte bis dahin entweder freigelassen sind oder ihnen in den USA ein Verfahren mit gesetzeskonformer Ermittlung und Rechtsbeistand ermöglicht wird.
Als weitere offizielle Amtshandlung hatte Obama am Dienstag die letzten, noch nicht rechtskräftigen Verfügungen seines Vorgängers blockieren lassen und eine Überprüfung angeordnet. Dies ist ein mehr oder weniger üblicher Vorgang nach einem Amtswechsel im Weißen Haus, zumal scheidende US-Regierungen dazu tendieren, oftmals recht ungewöhnliche Gesetze zu beschließen. Zu den letzten von Bush verfügten Neuregelungen zählt unter anderem die Erlaubnis zum Tragen verdeckter Waffen in verschiedenen Nationalparks.
Treffen mit Wirtschaftsberatern zum KonjunkturpaketFür seinen ersten Arbeitstag als Präsident der USA hat sich Obama ein volles Programm aufgelegt. Zunächst ist ein Treffen mit seinen Wirtschaftsberatern geplant, die mit dem Kongress an einem neuen Konjunkturpaket von 825 Milliarden Dollar arbeiten. Zwar ist ihm die demokratische Mehrheit in beiden Kammern grundsätzlich wohlgesonnen. Allerdings hofft Obama auf Unterstützung über Parteigrenzen hinweg. Die Republikaner wollen jedoch genauer wissen, wie das Geld ausgegeben werden soll und ob gewisse Projekte tatsächlich die Wirtschaft in Schwung bringen. Obamas Mannschaft prüft indes auch andere und teils neue Ideen, um die Kreditklemme zu beseitigen.
Obama klopft Lage im Irak und in Afghanistan abIn der Außenpolitik dominieren zunächst die Kriege in Afghanistan und Irak. Am Mittwoch wird Obama mit führenden Militärs die weitere Strategie besprechen, darunter auch mit General David Petraeus, der im Irak einen Bürgerkrieg verhindert hatte. Obama hat wiederholt erklärt, er wolle innerhalb von 16 Monaten die US-Truppen aus dem Irak abziehen. Aus Beraterkreisen war verlautet, dass er prüfen wolle, ob dies schneller möglich sei. Dagegen sollen in Afghanistan mehr Soldaten eingesetzt werden. An dem Gespräch sollten weiters der alte und neue Verteidigungsminister Robert Gates, Generalstabschef Mike Mullen und weitere Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats teilnehmen. Geplant ist auch, die Kommandanten im Irak und in Afghanistan, General Ray Odierno und General David McKiernan, über eine Videoleitung zuzuschalten. Für den Nahost-Konflikt könnte Obama einen Sondergesandten einsetzen. Im Gespräch ist George Mitchell.
Obama hat im Wahlkampf angekündigt, dass er innerhalb von 16 Monaten nach Amtsantritt alle Kampftruppen aus dem Irak abziehen will. Auch in seiner ersten Rede als Präsident und als Oberbefehlshaber der Streitkräfte sagte Obama, er werde "damit beginnen, den Irak auf verantwortungsvolle Weise seiner Bevölkerung zu überlassen, und einen hart erkämpften Frieden in Afghanistan zu schließen".
Der Irak ist nach den Worten von Regierungssprecher Ali al-Dabbagh bereit, die US-Truppen auch früher als im Abkommen mit der Regierung von Expräsident George W. Bush vereinbart abziehen zu lassen. Bush hatte mit der irakischen Regierung vereinbart, die US-Truppen bis Ende 2011 abzuziehen. Dabbagh sagte mit Bezug auf die Äußerung Obamas in dessen Antrittsrede am Dienstagabend, einen schnellen Abzug der US-Truppen betrachteten die Iraker mit Sorge. Aber die Regierung sei bereit, die US-Truppen auch früher gehen zu lassen und selbst die Verantwortung zu übernehmen.
Kabinett muss noch vervollständigt werdenParallel dazu muss das Kabinett noch vervollständigt werden. Einige Schlüsselposten sind noch nicht vom Senat bestätigt worden. In der Kongresskammer soll am Mittwoch über die designierte Außenministerin Hillary Clinton abgestimmt werden. Ihre Ernennung gilt als sicher. Obamas Kandidat für das Finanzministerium, Tim Geithner, muss sich dagegen noch in einem Ausschuss Fragen stellen. Ihm wird angelastet, gewisse Steuern nicht bezahlt zu haben. Nur wenige Stunden nach der Vereidigung bestätigte zuvor der US-Senat die ersten sechs Minister der Obama-Regierung: Energieminister Steven Chu, Bildungsminister Arne Duncan, Heimatschutzministerin Janet Napolitano, Eric Shinseki als Minister für Veteranenfragen, Innenminister Ken Salazar und Agrarminister Tom Vilsack. Obama unterzeichnete die Dokumente zur Nominierung seines Kabinetts nur eine Stunde nach seinem Amtseid - zwischen Lunch und den Vorbereitungen für den Ball-Marathon am Abend.

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